Der Fall „La Mina“: Hat die Stadt Aufträge unter der Hand vergeben?
„Grüne Vetternwirtschaft“ oder die „gezielte Diskreditierung eines Unternehmens“? Antworten auf eine Anfrage der SPD klären nicht abschließend, ob die Stadt bei Aufträgen an eine Werbeagentur korrekt vorgegangen ist.
Seit 2013 betreibt Heiko Depner die Werbeagentur „La Mina“, seit 2024 ist er Co-Chef der Darmstädter Grünen. Als die Agentur 2014 ihr einjähriges Bestehen feierte, kam auch der Büroleiter des Oberbürgermeisters, damals noch Jochen Partsch (Grüne), Rainer Burhenne. Seit 2022 ist Partsch nicht mehr OB in Darmstadt, Hanno Benz (SPD) hat das Amt übernommen.
SPD fordert Transparenz
Kurz nach der Wahl Depners zum Grünen-Co-Vorsitzenden im April 2024 fragte die SPD den Magistrat, wie die Vergabe von Aufträgen der Stadt an La Mina ablief und forderte „Transparenz“. Über ein Jahr dauerte die Recherche, die Oberbürgermeister Benz vor Kurzem vorlegte.
La Mina klagt gegen Veröffentlichung
Die Agentur hatte noch versucht, juristisch gegen die gestellten Fragen vorzugehen. Die geforderte Veröffentlichung der geflossenen Gelder verstoße gegen ihr Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, hatte La Mina argumentiert. Das Verwaltungsgericht Darmstadt wies die Klage von Depners Agentur zurück und Oberbürgermeister Benz durfte die Fragen der SPD beantworten.
Die städtische Recherche dauerte nicht nur aufgrund der juristischen Schritte über ein Jahr. Wie Benz mitteilte, gestaltete sie sich auch schwierig, weil „die Aktenlage in einigen Fachämtern unübersichtlich war“.
Über zwei Millionen Euro geflossen
Laut Benz haben Stadt und La Mina seit 2014 regelmäßig kooperiert. In den vergangenen zehn Jahren sind so mindestens 44 Aufträge von der Stadt an die Agentur vergeben worden, wofür sie über 875.000 Euro erhalten hat. Des Weiteren hat Depners Agentur weitere Aufträge von Tochterfirmen der Stadt, darunter des EAD und des Klinikums, erhalten, für die rund 1,2 Millionen Euro geflossen sind.
SPD: „Vorgänge müssen weiter aufgearbeitet werden“
Durch die Antwort fühlt sich die SPD offenbar in ihrer Annahme, die Auftragsvergabe könnte nicht vollständig transparent abgelaufen sein, bestätigt. Nach der Antwort des OB folgte prompt der Aufruf des Fraktionschefs, Michael Siebel, die Vorgänge müssten weiter aufgearbeitet werden.
Komisch sei gewesen, dass die Werbeagentur die juristischen Schritte gegen den Magistrat der Stadt Darmstadt und nicht gegen die SPD als eigentlichen Fragesteller eingeleitet hatte. Bedenklich sei auch Benz‘ Bemerkung, die Aktenlage in einigen Fachämtern sei unübersichtlich gewesen. Es könne der Eindruck entstehen, „als seien die Ausschreibungen und Vergaben an La Mina nicht in allen Fällen ordnungsgemäß vollzogen worden“, mutmaßt die Fraktion.
FDP: Staatsanwaltschaft soll Vergabepraxis prüfen
Zwischenzeitlich meldete sich auch die Darmstädter FDP-Fraktion zu Wort. In einer Mitteilung der Oppositionsfraktion heißt es: „Wer hier grüne Vetternwirtschaft vermutet, liegt möglicherweise nicht ganz falsch.“ Der eigentliche Skandal liege allerdings in der nur schwer nachvollziehbaren Vergabepraxis der Stadt. Aufträge seien möglicherweise nur auf Zuruf und ohne die notwendigen Ausschreibungsverfahren vergeben und teils mehrfach verlängert worden, mutmaßt der FDP-Fraktionsvorsitzende Sven Beißwenger.
Die FDP fordert das städtische Revisionsamt, gegebenenfalls sogar die Staatsanwaltschaft auf, die Vergabepraxis und insbesondere das Verhältnis zwischen den Darmstädter Grünen und La Mina zu prüfen.
Grüne: „Gezielte Diskreditierung eines Unternehmens“
Depners Partei, die Darmstädter Grünen, werfen der SPD vor, eine Kampagne gegen die Werbeagentur zu fahren. „Die Intention der Großen Anfrage der SPD ist nicht die Herstellung von Transparenz, sondern die gezielte Diskreditierung eines ehrenamtlich engagierten Darmstädter Unternehmers“, sagte deren Sprecherin Hildegard Förster-Heldmann. Politische Transparenz habe für die Partei höchste Priorität – „bei den gewählten Stadtverordneten ebenso wie bei […] Parteifunktionsträgern.“
Vergaben an andere Unternehmen nicht geprüft
Die Grünen kritisieren die „einseitige Fokussierung“ der SPD. „Wäre es der SPD tatsächlich um Transparenz gegangen, hätte sie auch die Vergaben an andere Unternehmen thematisieren müssen. Der Zeitpunkt der Anfrage – unmittelbar nachdem Heiko Depner zum Grünen-Parteisprecher gewählt wurde – legt vielmehr den Verdacht nahe, dass es primär um seine Person geht“, so Förster-Heldmann. Sie warnt weiter, die SPD riskiere mit ihrem Vorgehen das Ansehen des Unternehmens und damit „möglicherweise auch Arbeitsplätze.“
La Mina: SPD schlug Gesprächsangebote aus
Auch die betroffene Werbeagentur des Grünen Co-Chefs meldete sich zu Wort. In einer Mitteilung der Firma, die er gemeinsam mit Moritz Neuschitzer betriebt, heißt es, die SPD habe sich weder an Depner persönlich noch an seine Agentur gewendet und Gesprächsangebote ausgeschlagen.
Hinsichtlich der Klage gegen den Magistrat bezüglich der Offenlegung von geflossenen Geldern bekräftigt die Agentur, sie habe versucht, ausschließlich gegen die Veröffentlichung von Einzelpreisen vorzugehen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Agentur nicht zu gefährden.
Aufträge auch an andere Agenturen
„Die Beantwortung der Anfrage erweckt den Eindruck, La Mina sei alleiniger Auftragnehmer der Stadt“, sagte Moritz Neuschitzer: „ein verzerrtes Bild“. Ihm fehlt ein Vergleich, welche anderen Agenturen für die Stadt in welchem Volumen tätig waren. Städtische Aufträge im Wert von über einer Million Euro seien trotz erheblicher Investition in Konzeption und Akquise an andere Agenturen vergeben worden.
Auch generell machten Aufträge der Stadt und ihrer Tochter- und Eigenbetriebe jährlich nur rund 6,5 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Außerdem engagiere sich die Werbeagentur immer wieder für die Stadtgesellschaft. Über 220.000 Euro seien seit Gründung gespendet oder in kostenlosen Arbeitsleistungen, etwa für Vereine, erbracht worden.
„Ergebnis von Leistung und Qualität“
Diese Zahlen würden klar zeigen: „Unsere Aufträge sind Ergebnis von Leistung und Qualität – nicht von Automatismen oder Bevorzugung“, so Depner.
Wie geht es weiter?
Unklar ist, wie es jetzt weiter geht. Die politische Situation in Darmstadt ist ohnehin angespannt. Zuletzt hatte der Haushaltsstreit für mächtige Turbulenzen in der Darmstädter Politik gesorgt. Instabil ist die Lage in Darmstadt auch, weil die SPD zwar den Oberbürgermeister stellt, selbst aber nicht in der Regierungskoalition vertreten ist. Sie besteht aus Grünen, CDU und Volt und ist seit knapp einem Jahr eine Minderheitsregierung.
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